Please enable JS

Idee

 

König Ludwig I. von Bayern bereiste 1836 Griechenland, begleitet vom Architekten Friedrich von Gärtner. Im Februar besichtigte er die Burgruinen in Tiryns (antike Stadt auf der Peloponnes) und die antiken Königsgräber in Mykene, darunter auch die sogenannte Schatzkammer des Atreus (siehe Abb.1)

Edward Dodwell. Views and Descriptions of Cyclopian, or, Pelasgic Remains, in Greece and Italy; with Constructions of a later Period, London, Adolphus Richter, MDCCCXXXIV (1834)Abb. 1: Schatzkammer des Atreus;   Quelle: Edward Dodwell. Views and Descriptions of Cyclopian, or, Pelasgic Remains, in Greece and Italy; with Constructions of a later Period, London, Adolphus Richter, MDCCCXXXIV (1834)

 

Schon lange beschäftigte den Wittelsbacher die Idee zu einem Denkmal der Befreiungskriege. Der gewonnene Eindruck des Königs, bei der Besichtigung des über 3000 Jahre alten Kuppelgrabes, waren vermutlich der letzte Anstoß diese Idee in die Tat umzusetzen. Aus den Tagebucheinträgen des Königs und den Briefwechseln zu Leo von Klenze vom 22. Februar 1863 ist zu lesen: Er wolle ein Bauwerk errichten, »wie das Schatzhaus von Atreus Jahrtaußenden trotzend« und dem »Befreyungskrieg Teutschlands« gegen Napoleon in den Jahren 1813 bis 1815 gewidmet. Es überrascht wenig, das sich diese Idee ausgerechnet auf seiner Reise in Griechenland konkretisierte, welches er bereits als Kronprinz in dessen Kampf gegen das Osmanische Reich unterstützte und welches mittlerweile von seinem Sohn Otto regiert wurde. Der Vergleich mit dem Widerstand der Deutschen gegen die französische Gewaltherrschaft (Hegemonie) musste sich Ludwig förmlich aufdrängen. Er war immerhin schon erklärter Gegner Napoleons gewesen, selbsst als Bayern noch zu dessen Bündnispartnern gehörte und erheblich von dieser Allianz profitierte. Bereits 1814 hatte Ludwig darüber nachgedacht, den "Rettern Europas" (dazu gehörten neben den deutschen Staaten, England, Schweden und Russland) im Englischen Garten in München ein Denkmal zu setzten. Seine Prioritäten hatten sich mittlerweile geändert. Ihn interessierten nicht länger alle Völker, welche sich im Kampf gegen Napoleon zusammengeschlossen hatten, sondern vielmehr die deutschen Staaten. Seine Überlegungen zur äußeren Form und Ausstattung der » Siegeshalle«  - » keine Bildsäulen, aber Namen der Siege u. Feldherrn desselben zu enthalten«&¹ waren im Februar 1836 während seiner Reise bestenfalls vage. Dank eines späteren Tagebucheintrags, lässt sich aber die endgültige Benennung als »Befreyungshalle« auf den 2. November 1838 datieren. In diesem Eintrag steht konkret:

» den kommenden Geschlechtern in Erinnerung bleiben (solle), welche Siege ihre Vorfahren, die verbündeten Deutschen, errangen, wer da ihre Führer waren und wie dies nur möglich war durch festes Zusammenhalten. Als ein Erinnerungszeichen der Befreiung von fremder Gewaltherrschaft solle die Halle als eine stete Mahnerin der Deutschen erstehen und weithin sichtbar sein. Im Innern des Gebäudes soll ein Kreis von 17 Gruppen aufgestellt werden, eine jede durch zwei Siegesgöttinnen gebildet, ein vergoldetes Marmorschild zwischen sich haltend, worauf die Namen der Schlachten und Kämpfe verzeichnet sind, die zum Zwecke der Befreiung Deutschlands geschlagen und gewonnen wurden, die Namen der hervorragendsten Feldherren und Heerführer sollen auf Inschriftstafeln über diesen Gruppen angebracht werden«¹

Die Befreiungshalle sollte also nicht nur eine bleibende Erinnerung an den Zusammenhalt und die Einigkeit aller Deutschen sein, sondern auch als eine stete Mahnung für die Zukunft dienen. Dieser Wunsch Ludwigs war es, welchen Ihn 27 Jahre an diesem Projekt festhalten ließ:

  • trotz einer kompletten Planänderung nach dem Tod des ersten Architekten den Bau weiterführte
  • trotz seines Thronverzichts und dem daraus resultiereden Abbruch des Unternehmens
  • trotz aller politischer Widerstände und finanzieller Schwierigkeiten
  • ja sogar noch nach einer langen und beinahe tödlich verlaufenen Krankheit Ludwigs.

Diesen Wunsch bekräftigte Ludwig bei:

  • der Grundsteinlegung am 19. Oktober 1842,
  • wiederholte er bei ihrer Eröffnung am 18. Oktober 1863 und 
  • er führte diesen Wunsch als zentrale Inschrift im Fußboden jedem Besucher des Bauwerks eindringlich vor Augen (obwohl z.B. der Architekt Klenze mehrfach versuchte, auf den genauen Wortlaut oder die Darstellung Einfluss zu nehmen, lies sich der König nicht davon abbringen)

Die von Ludwig so nachdrücklich beschworene Einigkeit aller Deutschen werden durch die Hände bzw. durch jeweils einen vergoldeten Bronzeschild verbundenen Viktorien symbolisiert. Die Umsetzung seines Wunsches wurde somit zum Leitgedanken, durch diesen beide Architekten Ihre Planungen auszurichten hatten und durch welchen sich fast zwangsläufig die Grundform eines überkuppelten Zentralbaus ergab.

Dennoch orientierte sich Gärnter wider erwarten nach seiner Rückkehr aus Griechenland in seinen ersten Skizzen nicht an dem gesehenen Königsgrab aus Mykene, sondern präsentierte seinem Auftraggeber mehrere Vorschläge, die sich entweder dem römischen Pantheontypus oder dem Rundbogenstil der italienischen Renaissance annäherten. Da sich Ludwig I. intensiv bei der Planung mit einbrachte, erteilte er schließlich der Idee eines überkuppelten Polygonalbaus mit arkadenumgang und Biforientambour seine Zustimmung.

Doch zu diesen Entwürfen und Skizzen in einem späteren Kapitel mehr...


1 = Bayerische Staatsbibliothek München, Ludwig I. - Archiv 3, 107, Seite 192, Tagesbucheintrag Ludwig I. vom 22.2.1836